Gästebuch von Paul
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Esme
sagt:
Bevor ich an der überschüssigen Luft in meinem Hals ersticken würde, atmete ich diese langsam hinaus. So viel Druck hatte sich in mir aufgebaut, dass ich das Gefühl hatte auf einem Trip zu sein. Dabei hatte ich das letzte Mal garantiert vor zehn Jahren etwas genommen. Paul ließ auch meine Hand an seine Brust gleiten. Sein Herz schlug mindestens genauso schnell wie meines. Er starre mich an, vielleicht auch mehr hinter mir, die Lichter beobachtetend, als er plötzlich seine Hände an meine Wangen legte. Erneut verließen italienische Wörter seinen Mund. Neuanfangen. Es sprach weiter und ich lauschte seinen Worten, während seine warmen Hände meine kühlen Wangen wärmten. Zuerst verstand ich nicht. Sagte er, setze dich AN den Schreibtisch oder AUF den Schreibtisch. Mein Herz raste nun noch schneller, dabei hatte ich nicht für möglich gehalten, dass das noch gehen würde. Ich schluckte schwer, meine Kehle war ausgetrocknet. Wieso ich gerade tat, was ich tat, konnte ich mir vermutlich zu dem Zeitpunkt selbst nicht erklären, aber tatsächlich löste ich mich von seiner Berührung, stand auf und meine Füße trugen mich langsamen Weges zum Schreibtisch. Ich drehte mich noch einmal zu ihm um, schaute ihn fragend an. „Allora, cosa ne farà di me adesso, signor Paul?", ehe ich mich gekonnt draufplatzierte.
Esme
sagt:
„Wenn ich Anstalten machen würde, würde es nur bedeuten, dass ich nicht zu meinen Fehlern stehe.", antwortete ich genauso eindringlich auf seine Aussage hin. Ich hatte mir schon immer vorgenommen, wenn ich eines Tages sterben würde, dann mit klarem Gewissen. Bereute ich Dinge in meinem Leben? Gewiss, es gab einiges das ich anders machen würde, aber welcher Mensch hatte diese Lasten nicht. Zwei Sachen schmerzten mich dabei jedoch am meisten. Ich könnte Lily niemals erklären, wieso ich wie handelte und weshalb ich all die Jahre für sie im Verborgenen lebte. Und das Paul dieses urteil über mich fällen musste. Lieber wäre ich im Kugelgefecht gestorben. Seine Stimme ertönte und er ließ mich wissen, dass wir in dem Raum bleiben würde. Das Kissen kickte er zum Fenster, dann richtete er seine Waffe auf mich. Ein Anblick, von dem ich nicht im Leben gewagt hätte zu träumen. Italienische Worte erreichten meine Ohren. Kurz musste ich umschalten, aber dann verstand ich. Noch immer konnte ich meinen Herzschlag in der Kehle spüren. Ich folgte seiner Anweisung anstandslos. Ich kniete mich nieder, mit meinem Gesicht zur Frontscheibe. Das war also mein letzter Anblick? Jackson. Eine Stadt, dir mir als Kind nur Seelenschmerz bereitet hatte. Eine Stadt, in der meine Schwester lebte. Eine Stadt ohne Bedeutung, egal wie schön der Ausblick für einige sein mochte. Paul befahl mir die Arme hinter den Rücken zu tun und auch dies tat ich, ohne ein einziges Wort von mir zugeben. Dabei hatte ich das Gefühl, dass mein Puls durch den ganzen Raum schallte. Wieder vernahm ich seinen italienischen Unterton, welchen er immer hatte, wenn er auf seiner Muttersprache etwas sagte. Ich würde niemals zulassen, dass er ein Leben für meines austauschte. Jeder Mensch musste eigenständig für seine Taten gerade stehen. Dann spürte ich seine Waffe an meinem Hinterkopf, weshalb ich die Augen schloss. Ich versuchte ruhiger zu atmen. Man sagte, dass man in einem solchen Moment an etwas Schönes denken sollte, doch so einfach war das gar nicht. In meinem Kopf spielten ich so viele Szenarien ab, dass ich sie nicht einmal sortieren konnte. Mit einem festeren Druck verspürte ich die Waffe an meinem Kopf, ehe seine Hand an meinen Hals wanderte. Er war ein guter Schütze. Ich wusste, dass es schnell gehen würde – dich die Sekunden bis dahin zogen sich ins Unendliche. Immer wieder redete und ich fragte mich, ob er zögerte oder draus ein Spiel machte. Ich hörte seine letzten Worte, dann spürte ich, wie er abdrückte. Und auf einmal war es still. Ich spürte keinen Schmerz, aber traute mich nicht die Augen zu öffnen? Was zur Hölle war gerade geschehen? Der dumpfe Aufschlag auf dem Boden neben mir, ließ mich meine Augen doch blitzartig öffnen. Erst jetzt bemerkte ich, dass mein ganzer Körper zitterte. Ich realisierte nicht, was hier gerade geschehen war. Mir wurde schlecht. Als ich plötzlich hinter mir Pauls Hand an meiner Schulter wahrnahm und er mich zu dich drehte. Knien saßen wir gegenüber voneinander. Ich starrte ihn mit geöffnetem Mund an, nichtwissend was ich sagen sollte. Meine Hände zittern noch immer und das Adrenalin ließ meinen Körper beben. Ich hörte ihn sprechen, aber ich bekam meine Stimme noch nicht zurück. Keine Ahnung ob ich erleichtert war, erschrocken oder einfach völlig neben der Spur. „Wieso ... wieso hast du es nicht getan?", wollte ich von ihm wissen, spürte meinen hastigen Atem. Seine weiteren Silben gelangen an mein Gehör. „Il mio cuore sta esplodendo. Ti ringrazio per questa opportunità, Paul.", ohne darüber nachzudenken, nahm ich seine Hand und legte sie an meine Brust, dort wo mein Herzschlag war. Ich konnte sehen wie sich seine Hand in Milisekunden Takt auf und abbewegte. „Was bedeutet ... was bedeutete das jetzt für mich ... für unsere Bindung?", fragte ich ihn, außer Atem und mit großen Augen. Ich konnte noch immer nicht fassen was hier passiert war.
Esme
sagt:
Das Kissen in meiner Hand, der Herzschlag bis zum Hals. Es war ein normaler Reflex des Körper, die Angst, die durch die Venen strömte. Es war der Instinkt, der einen anschrie; „Lauf!" Doch nicht wenn man selbst wusste, wie die Regel waren. Entweder hielt man sich daran oder man musste sich den Konsequenzen stellen. Wenn man nicht einmal in der Lage dazu wäre, was hatte das Leben dann noch für einen Stellenwert. Wie konnte man dann noch zwischen gut und böse unterscheiden? Ich fragte ihn, wie er es haben wollen würde. Im Bad hielt ich es für die sauberer Möglichkeit, als er plötzlich grinste. Ich verstand nicht. Er nannte mich verrückt und erneut verengte ich meine Augen, nichtwissend, was gerade vor sich ging. „Was?", fragte ich ihn. Er zückte seine Waffe, hielt sie in seiner rechten Hand und sagte, dass ich das Kissen zu Boden werfen sollte. „Was tust du da?", fragte ich Stirn runzelnd, warf das Kissen dennoch zu Boden.
Esme
sagt:
Der Raum wirkte immer kleiner auf mich, aber ich war hier um meine Konsequenzen, ganz gleich welche dies waren. Ich bin mit dem Vedere Clan aufgewachsen und an mir gewachsen. Egal wie ich sterben würde, ich würde mit Würde sterben. Niemals um Gnade betteln und schon gar nicht meine Würde dabei verlieren, denn am Ende war es das Einzige was und blieb, unser eigener Stolz. Paul stand genau vor mir, ich konnte sehen wie seine Augen mich eindringlich musterten. Er kam näher, sodass er unmittelbar vor mir stand. Vermutlich spürte er meinen Atem auf seinen Lippen, genauso wie ich seinen. Was jetzt geschehen würde, das wusste nur er, weshalb mein Herz raste, auch wenn ich auf jede Entscheidung vorbereitet war. „Das was man im Vedere Clan mit Verrätern tut.", hauchte ich als Antwort zurück. Schon immer weigerte ich mich, dass er mich bevormunden dürfte. Ich wollte immer das gleiche Recht wie alle anderen seiner Mitarbeiter. Nicht weniger und nicht mehr. Gleichberechtigung. „Du hast keine Wahl.", da griff er bereits nach meinem Handgelenk. Er schob meine Hand hinunter und meine Augen verengten sich skeptisch, als wir am Gürtel angekommen waren. Nein, das war nicht sein Ernst? Doch die Reise ging weiter und ich konnte spüren, wie sein Atem schneller wurde. Seine Hand fühlte sich inzwischen schwitziger an. Wir waren hinter meinem Rücken angekommen und ich konnte den kalten Stahl seiner Pistole spüren. Und obwohl ich mich darauf vorbereitet hatte, spürte ich wie sich mein Puls erhöhte. Er wollte, dass ich ein Kissen von der Couch holte. Wir wussten beide, wie das hier enden würde. Ich löste unseren Griff, drehte mich und nahm eines der überteuerten Kissen in die Hand. „Wie willst du es tun? Hier ... im Badezimmer?", fragte ich ihn und ließ mir keine Emotionen anmerken, doch mein Brustkorn vibrierte. Das ich eines Tages sterben würde, vielleicht durch einen Schuss oder Schnitt oder eine Explosion, war nicht unwahrscheinlich – aber von ihm, von Paul, daran hatte ich vor wenigen Wochen noch im Leben nicht dran gedacht.
Esme
sagt:
Die Ehre gebührte mir nur noch mit seinem Rücken zu sprechen, denn er hatte sich weiterhin nicht zu mir gedreht, während er sprach. Seufzend nahm ich seine Anschuldigungen entgegen. Unrecht hatte er leider nicht, ich hatte mich zum Richter erklärt. Und er hatte auch recht damit, dass gerade ich wissen sollte, dass in jedem Menschen etwas Wahnsinnigkeit steckte. So oft in diesem Leben waren mir solche begegnet. Vielleicht hatte ich es Maritza einfach nicht zugetraut und vielleicht hat ein Teil von mir sich auch gewünscht, dass er leiden würde. Doch meine Ansicht hatte sich in den letzten Tagen drastisch verändert. Paul hatte genauso klare Ansichten wie Regeln und ich kannte sie. Nun drehte er sich zu mir, schilderte nochmal den genauen Ablauf, der hinter mir lag. Und dann hörte ich das Wort, auf welches ich die ganze Zeit gewartet hatte. Ich schluckte kurz, atmete durch und stellte mich vor ihn. „Ja.", sagte ich schlicht. „Ja, ich habe dich verraten, in dem ich gegen deine Regeln verstieß. Und wir wissen beide was mit Verrätern passiert, oder?", dabei schaute ich ihm tief in die Augen. „Wie am Anfang gesagt ... ich bin hier um meine Konsequenzen abzuholen, nicht um um Gnade zu winseln. Ich gestehe meine Fehler ein, vieles davon war falsch, aber letztendlich kann ich jetzt sagen, meine Schwester hat Frieden ... sie kann jetzt wieder beginnen ihr Leben zu leben. Und wenn ich dafür Konsequenzen tragen muss, wegen meines Fehlverhaltens, dann werde ich das tun, Paul."
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